#NachhaltigeRadiologie

"Bei uns spielen umweltgerechte Produktgestaltung und energiesparende Fertigung eine große Rolle"

Zuletzt aktualisiert: Freitag, 11. März 2022

Mit rund 66.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist Siemens Healthineers eines der führenden Unternehmen für Medizintechnik weltweit. Wie schafft es das Unternehmen, seine umfangreiche Produktpalette nachhaltig zu gestalten und Themen wie Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz konkret umzusetzen? Wir haben Dr. Maiya Shibasaki, Leiterin des Bereichs Nachhaltigkeit bei Siemens Healthineers, gefragt.

Dr. Maiya Shibasaki © Siemens HealthineersDr. Shibasaki, wie definiert das Unternehmen Siemens Healthineers Nachhaltigkeit? Was sind wichtige Arbeits- und Anwendungsbereiche?
Maiya Shibasaki: Nachhaltigkeit ist seit jeher ein Leitgedanke unseres Unternehmens. Wir unterstützen deshalb aktiv die globalen Nachhaltigkeitsziele, die in den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der Vereinten Nationen formuliert sind. Als eines der führenden Medizintechnikunternehmen wollen wir einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten. Mit Hilfe einer Materialitätsanalyse haben wir eruiert, in welcher Hinsicht unsere Geschäftstätigkeit die größte Wirkung auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt hat. Daraus haben wir folgende Kern-SDGs identifiziert, die für uns als Unternehmen und aus Sicht unserer Stakeholder*innen besonders relevant sind: Gesundheit und Wohlergehen, Geschlechtergerechtigkeit sowie nachhaltiger Konsum und Produktion. Daraus haben wir vier Kernthemen herausgearbeitet, die unsere Nachhaltigkeitsstrategie vorantreiben – zur Verbesserung der Lebensqualität durch Zugang zur Gesundheitsversorgung und durch Innovation, zu ökologischen und sozialen Fragen und zu Governance für nachhaltige Unternehmensführung.

Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen und welche Ziele haben Sie für sich im Bereich Nachhaltigkeit definiert?
Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Um der enormen Bedeutung von Nachhaltigkeit gerecht zu werden, hat Siemens Healthineers ein Sustainability Office geschaffen. Als Leiterin des Sustainability Office berichte ich an ein Mitglied des Vorstands und erstatte dem Gesamtvorstand Bericht über die Nachhaltigkeitsfortschritte im Unternehmen. ESG-Kriterien* sind seit unserem Geschäftsjahr 2020 ein wesentlicher Bestandteil des Vergütungssystems des Vorstands sowie des Senior Managements.
Unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht haben wir Ende 2021 veröffentlicht. Ich freue mich, dass uns das Rating-Institut Sustainalytics bereits im gleichen Jahr auf Platz 4 von 224 Medtech-Unternehmen weltweit gesetzt hat.
Wir haben uns einige ehrgeizige operationalisierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt, darunter ist die Reduktion von CO2-Emissionen eines der zentralen Themen: Wir unterstützen die Ziele des Pariser Klimaabkommens im Einklang mit der Science Based Target Initiative und streben CO2-Neutralität für unsere eigene Geschäftstätigkeit bis 2030 an.

Wie können Kundinnen und Kunden erkennen, wie nachhaltig die Produkte und Dienstleistungen Ihres Unternehmens sind, etwa bei ihrer Produktion, Nutzung, Wartung und Entsorgung?
Bei Siemens Healthineers spielen sowohl umweltgerechte Produktgestaltung als auch energieeffiziente Fertigung eine wichtige Rolle. Seit 1995 erfassen wir systematisch die Materialien unserer Produkte bezüglich ihrer Kohlenstoffemissionen, Recyclingquote und Anzahl wertvoller Materialien. Seit 2005 führen wir außerdem ein Umweltportfolio. Dieses Portfolio setzt sich aus Produkten und Lösungen zusammen, die energie- und ressourceneffizient sind und unsere Kund*innen dabei unterstützen, CO2-Emissionen zu reduzieren, Produktlebenszykluskosten zu senken und die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens zu verbessern.
In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um ökologische Aspekte, sondern auch um die Analyse zukünftiger technologischer Entwicklungen. Mit Environmental Product Declarations zu unseren Produkten sowie Schulungen helfen wir unseren Kund*innen die medizinischen Geräte umweltfreundlich und CO2-bewusst zu betreiben.
Zum Ende des Geschäftsjahres 2021 umfasste das Umweltportfolio 38 energieeffiziente Produkte und Lösungen. Sie machen 20 Prozent unseres Umsatzes im Geschäftsjahr 2021 aus.

Zum Portfolio von Siemens Healthineers gehören auch radiologische Großgeräte wie Computertomografen oder Magnetresonanztomografen. An welchen technischen Lösungen arbeiten Sie, um diese Geräte nachhaltiger zu machen etwa in den Bereichen Energieverbrauch, Nachrüstung oder Lebensdauer bestehender Geräte?
Wir stellen seit langem im Produktdesign sowie im gesamten Entwicklungs- und Produktionsprozess entsprechende Weichen, um soziale, ökonomische und ökologische Faktoren über den gesamten Lebenszyklus unserer Geräte hinweg berücksichtigen zu können. Ein besonders gutes Beispiel dafür ist unser neuer 0,55 Tesla-MRT Magnetom Free.Star, einer der kleinsten und leichtesten Ganzkörper-Scanner, die Siemens Healthineers je gebaut hat. Dank künstlicher Intelligenz ist er so einfach zu bedienen, dass auch weniger erfahrenes Personal dafür eingesetzt werden kann. Der deutlich gesenkte Energieverbrauch wirkt sich positiv auf die Betriebskosten aus. Die Kosten über den gesamten Lebenszyklus des Systems sind im Vergleich zu herkömmlichen MRT-Systemen mit großen Mengen Helium und Quenchrohr um bis zu 30 Prozent niedriger. Ein anderes Beispiel: Unsere BioMatrix Fit Upgrades für Magnetresonanztomografen verlängern nicht nur die Lebensdauer der Geräte, sie können auch die CO2-Emissionen in der Nutzungsphase der MRTs um bis zu 28 Prozent reduzieren. Dies ist möglich, weil das MRT-System nach dem Upgrade energieeffizienter wird, wobei Schlüsselkomponenten wie der Magnet in Gebrauch bleiben, während neue Komponenten mit der neuesten Technologie um es herum gebaut werden. Im Geschäftsjahr 2021 wurden weltweit mehr als 65 BioMatrix Fit Upgrades durchgeführt.

Was können wir für nachhaltige Innovationen von Ihrem Unternehmen in den nächsten Jahren erwarten?
Wir werden die Produktökobilanz bei der Produktneuentwicklung noch stärker berücksichtigen, um Umweltauswirkungen zu minimieren. Wir planen zum Beispiel für die Produktlinien, die während ihrer Nutzungsphase wesentlich zu den Kohlenstoffemissionen beitragen, wie MRT-Systeme und CT-Scanner, im Geschäftsjahr 2022 interne Ziele zu definieren, um den Energieverbrauch bis 2030 zu senken. Für unsere Strahlentherapie werden wir technische Lösungen zur Reduzierung der Emissionen von Schwefelhexafluorid (SF6) untersuchen, das als Isolationsgas verwendet wird.
Im Rahmen unserer Geschäftstätigkeit folgen wir außerdem kreislaufwirtschaftlichen Prinzipien. Wir sind davon überzeugt, dass der „Take-Make-Dispose“-Ansatz weder in der Produktion noch im Konsum zukunftsfähig ist. Angesichts des Missverhältnisses zwischen dem weltweit steigenden Bedarf an Rohstoffen und der Knappheit natürlicher Ressourcen, streben wir eine Kreislaufwirtschaft an. Indem wir Komponenten und Produkte wiederverwerten, können wir die Auswirkungen von Materialengpässen abfedern und Kosten optimieren. Ein Beispiel ist die Aufarbeitung von medizinischen Bildgebungsgeräten: Im ecoline-Produktportfolio sind über 6.300 aufbereitete Systeme von Siemens Healthineers bei Kund*innen installiert.

Ist Ihrer Ansicht nach die Digitalisierung ein Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen ganz generell?
Die Digitalisierung kann weitreichende Beiträge zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen leisten. Der verantwortungsvolle Einsatz von Digitalisierung und KI erhöht nicht nur die Versorgungsqualität für Einzelne: Beide Technologien helfen, die Prozesse im Gesundheitssystem zu optimieren. Darum haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Zahl der KI-gestützten Produktangebote von heute 63 auf 160 im Jahr 2030 erhöhen, um zu helfen, die klinische Entscheidungsfindung zu verbessern. KI-basierte Lösungen können wertvolle Erkenntnisse über Patient*innen generieren und gezielte, individualisierte Behandlungen ermöglichen. Besonders in der Vorsorge, beispielsweise im Bereich von Screenings, können innovative KI-Lösungen Ärzt*innen sinnvoll unterstützen und im Arbeitsalltag entlasten.
Telemedizin und Remote-Scanning-Assistenz kann die medizinische Versorgung in abgelegenen und unterversorgten Regionen wesentlich verbessern. Einen Beitrag dazu kann auch KI leisten, indem sie die Bedienung von medizinischen Geräten vereinfacht, so dass sie auch von weniger spezialisiertem Personal bedient werden kann. Damit kann KI einen Betrag leisten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.


* ESG meint die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance).